Die Muskelhypothek - Mit Eigenleistung Hausbau betreiben
Muskelhypothek - Was ist das?
Wenn der Traum vom selbstgebauten Eigenheim lockt, aber die privaten Geldmittel dafür knapp bemessen sind, wird sie schnell als Joker gezückt: die Muskelhypothek. Was zunächst nach martialischen Wirtschaftspraktiken klingt, ist eine gängige Finanzierungsform: Die Bauherren stellen in Aussicht, Teile der anstehenden Arbeiten am Haus in Eigenleistung zu übernehmen und nicht von Professionisten ausführen zu lassen. Die hierdurch entfallenden Arbeitskosten lassen sich im Finanzierungsplan einsparen und folglich bei Aufnahme eines Bankdarlehens auf das vorhandene Eigenkapital anrechnen.
Sind von Beginn an nicht viele Eigenmittel vorhanden, erscheint die Muskelhypothek schnell als bequemer Ausweg, um auf leichte Weise an Baukosten einzusparen. Schließlich bedarf es zur Einlösung dieser Hypothek ja nur etwas körperlicher Anstrengung und der nötigen Motivation. Doch stimmt das wirklich? Sollte im Leben tatsächlich einmal etwas so einfach sein?
Stolpersteine beim Hausbau in Eigenleistung
Wer sich entschließt, den Hausbau in Eigenleistung voranzutreiben, übernimmt dabei – ob bewusst oder unbewusst – eine beachtliche Verantwortung. Denn die ursprünglich so überschaubar wirkende Aufgabe kann sich sehr schnell zu einem Bumerang entwickeln. Zwei Beispiele sollen das illustrieren.
Gerd K. ist dabei, sein Traumhaus für die Familie in die Realität umzusetzen. Als fleißiger Heimwerker hat er Wochenenden schon immer gerne in der Werkstatt verbracht. Deshalb sieht er fachlich auch kein Problem darin, in Absprache mit dem Generalunternehmer viele Handwerksarbeiten am Rohbau in Eigenleistung zu übernehmen. Schnell stellt sich aber heraus, dass die Wochenenden dafür längst nicht ausreichen. Wie vereinbart, verlegt Gerd K. u.a. den Estrich selbst, das jedoch erst in letzter Minute. Der Boden ist zum vereinbarten Termin nicht trocken, Folge-Gewerke wie Installateure und Elektriker können ihre Arbeit nicht beginnen. Gerd K. droht neben der Bauverzögerung nun auch eine Vertragsstrafe gegenüber dem Generalunternehmer. |
Lisa T. ist Malerin und wartet ungeduldig darauf, in ihrem eigenen neuen Haus den Innenausbau voranzutreiben. Doch soweit kommt es nicht. Für den Bau des Dachstuhls hatte sie ihren Onkel, einen professionellen Zimmermann, um Verwandtenhilfe gebeten. Doch dieser fällt wegen eines Unfalls langfristig aus. Geld für einen kostspieligen, weil kurzfristigen Ersatz ist keines vorhanden. Der Bau steht still, das Haus muss in seiner Rohform durch den Winter gehen. Im Frühjahr warten schon die ersten Sanierungsfälle, um die Feuchtigkeit aus Mauern und Fundament zu bekommen. Schon diese kosten Geld, das eigentlich nicht da ist. Und die Frage um den Dachstuhl ist noch immer nicht geklärt. |
Es gibt viele vergleichbare Umstände, die eine zu großzügig bemessene Muskelhypothek schnell zur Stolperfalle werden lassen. Einen wesentlichen Faktor neben dem Problem fristgerechter Arbeitsleistungen stellt z.B. auch die Qualität der Arbeit dar. Ist der Estrich nicht sauber verlegt oder die Baugrube nur mangelhaft ausgehoben, können Bauunternehmen, die ihre Arbeit auf das Resultat der Eigenleistung begründen sollen, diese Leistung beanstanden und Ausbesserung verlangen. Anderenfalls würden sie selbst auf dem Schaden sitzen bleiben, wenn sich daraus später bauliche Mängel ergeben. Dass der Bau nach einer mangelhaften Eigenleistung stillstehen könnte, ist also noch nicht einmal das drängendste Problem.
Hausbau mit Eigenleistung – Was ist machbar?
Ist vom Hausbau in Eigenleistung also rundheraus abzuraten? So weit muss man sicherlich nicht gehen. Warum sollte ein geschickter Heimwerker oder gar ein hauptberuflich tätiger Handwerker seine Spezialkenntnisse nicht in den Bau einbringen können? Tendenziell ist aber eher davon abzuraten, sich in Arbeitsprozesse einzuschalten, die als Grundlage für Folge-Gewerke dienen. Das schließt Eigenleistung bei der Rohbau-Errichtung zum Großteil aus. Günstiger steht es da um Arbeiten im Innenausbau. Kommt es hier zu Verzögerungen, ist das zwar auch mit teils erheblichen Folgen verbunden. Schließlich muss vielleicht ein bereits gekündigter Mietvertrag doch noch einmal verlängert oder sogar eine Notfall-Unterkunft bezogen werden. Rechtliche Folgen sind in der Regel aber nicht zu erwarten.
Grundsätzlich sollten zwei Faktoren bei der Einschätzung, was durch Eigenleistung im Hausbau machbar ist, bestimmend wirken: 1. Was verstehe ich tatsächlich selbst von der anvisierten Arbeit bzw. habe ich Familie oder Freunde, die das unentgeltlich übernehmen wollen? 2. Wie viel Zeit kann und will ich tatsächlich in die mögliche Eigenleistung investieren? Ein ausgebildeter Bodenleger kann und sollte natürlich in seinem neuen Eigenheim die Bodenlegearbeiten übernehmen, denn hierdurch lässt sich einiges an Geld sparen. Ist er aber zeitlich so ausgelastet, dass diese Arbeiten nur alle zwei Monate an einem halben Samstag erfolgen könnten, wird nicht nur die Bank berechtigte Zweifel daran haben, ob dieser Plan umsetzbar ist. Wochenenden und Urlaubszeiten sind das Kapital, das bei der Muskelhypothek tatsächlich zum Einsatz kommt.
Eigenleistung berechnen
Ein gut aufgestellter und durchkalkulierter Plan für Eigenleistung im Hausbau wird von Banken gerne gesehen, denn sie rechnen diese Leistungen dem Eigenkapital hinzu. Hierbei können teils bis zu 15% der Baukosten über die Muskelhypothek veranschlagt werden. Es wird schnell deutlich, dass dies einen erheblichen Anteil des insgesamt zur Verfügung stehenden Eigenkapitals ausmachen kann. Da verwundert es kaum, warum sich viele Menschen von leichtfertigen Erwartungen in Sachen Eigenleistung steuern lassen. Die Idee, einfach vieles selbst zu machen, kann den Ausschlag geben und den Weg zum Eigenheim ebnen.
Verrechnet wird die Eigenleistung mit den Arbeitsstunden eines Professionisten, die auf diese Weise eingespart werden. Umgekehrt muss man sich hier aber auch Fragen, ob die so umgangenen Arbeitsstunden wirklich alle an Abenden, Wochenenden und in Urlaubszeiten persönlich abgeleistet werden können. Bei einem Anteil von 15% Eigenleistung fallen bei einem Projekt, je nach finanziellem Aufwand mehrere hundert Stunden an Eigenleistung an. Diese sind erfahrungsgemäß von Einzelpersonen nicht auffangbar.
Hier darf sich glücklich schätzen, wer innerhalb von Freundes- oder Verwandtschaftskreisen auf Profis zurückgreifen und so auf Unterstützung bauen kann. Unentgeltliche Aushilfen sind durchaus legitim, beruhen aber in der Regel auf einem Gegenseitigkeitsversprechen. Und ganz ohne Kapitaleinsatz geht es auch hier nicht. Denn jeder, der unterstützend am Bauprojekt mitwirkt, muss durch eine Bauhelferversicherung geschützt sein. Diese kostet den Bauherrn noch einmal um die 2 Euro mehr pro Arbeitsstunde und Person. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen: der finanzielle Aufwand für die tägliche Verpflegung, inkl. der obligatorischen Kiste Bier. Denn verhungerte Bauhelfer sind kein guter Einstand für das neue Haus.
Letzten Endes muss auch die Bilanz stimmen. Denn nur Arbeitsstunden lassen sich über Eigenleistung beim Hausbau umgehen. Werkzeug muss trotzdem vorhanden sein. Und auch die Materialbeschaffung bleibt nicht aus. Die günstigen Mengenrabatte, von denen Handwerksbetriebe profitieren, haben hier keine Geltung. Das Material kann also durchaus teurer sein als beim Profi, und auch für die Beschaffung des nötigen Werkzeugs muss Geld einkalkuliert werden. Damit lohnt sich Eigenleistung vor allem dann, wenn durch diese möglichst hohe Stundenlöhne bei möglichst niedrigen Materialkosten vermieden werden. Kostet allein die Beschaffung der Materialien fast genauso viel, wie durch die Übernahme der Eigenleistung an Baukosten eingespart wurde, ist der Rückgriff auf Eigenleistung nicht besonders lohnenswert.
Auch die Muskelhypothek ist abzustottern
Bei der Kalkulation einer Muskelhypothek gibt es also vieles zu beachten. Denn wie jede andere Hypothek muss auch diese in Folge nach und nach abgeleistet werden. Anderenfalls drohen harsche finanzielle Konsequenzen. Hier noch einige wichtige Punkte, auf die im Zusammenhang mit Eigenleistung beim Hausbau geachtet werden sollte.
- Der Anteil der Eigenleistung an den Baukosten sollte immer unter 10% betragen. Anderenfalls könnten die zu leistenden Arbeitsstunden Überhand nehmen.
- Nur Aufgaben ins Auge fassen, die tatsächlich handwerklich beherrscht werden. Nicht aber versuchen, durch ungewisse Versprechen die Baufinanzierung künstlich zu drücken.
- Bei vertraglicher Verankerung der Muskelhypothek immer genau festhalten, was in Eigenleistung entsteht, was durch Profihand. Sonst wird es schwer, bei später auftretenden Baumängeln ohne Selbstverschulden die Gewährleistung einzufordern.
- Arbeiten ins Auge fassen, die im Bereich Innenausbau liegen, wie z.B. Tapezieren, Streichen, Fliesenlegen, Dämmen oder Trockenbau. Auch Gartenarbeiten können gut in Eigenleistung abgedeckt werden.
- Vorsicht bei integralen Arbeiten wie sanitären Installationen oder Elektrik. Diese erfordern nicht nur Know-How, sondern auch das Wissen um detaillierte rechtliche Bestimmungen. Wasser- und Brandschäden durch fehlerhafte Installation können zudem erhebliche Folgekosten hervorrufen.
- Können zwei Arbeiten fachlich, aber nicht zeitlich durch Eigenleistung abgedeckt werden, immer die Leistung wählen, die einen höheren Stundenlohn bei nur geringen Materialkosten zeitigen würde.
- Vorsicht vor persönlicher Überforderung. Wird jede freie Minute auf dem Bau verbracht, kann schnell privater Stress entstehen. Und dann hängt bereits der Haussegen schief, noch bevor das Haus überhaupt steht.
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