Tiny House selber bauen: In 4 Schritten zum eigenen Tiny House
1. Wo soll es hingehen?
Tiny House ist nicht gleich Tiny House! Hinter dem modernen Begriff kann viel stecken: ein umgebauter Zirkus- oder Bauwagen, ein ausrangierter Camper, ein Haus auf Rädern wie der Wohnwagon, ein Container oder eben ein superleichtes 3,5 Tonnen Tiny House. Jede Bauweise bringt Vorteile und Nachteile mit sich. Anhänger unter 3,5 Tonnen sind natürlich leichter zu ziehen, fordern aber durch die strenge Gewichtsgrenze auch zu einigen Kompromissen in der Ausstattung auf. Container sind gut transportierbar und am Sekundärmarkt sehr günstig zu haben, weil sie in unserer globalisierten Welt zur Einweg-Ware geworden sind. Allerdings lässt der Aufbau aus Metall keine Feuchtigkeit durch die Wand. Eine Dämmung mit atmenden Baustoffen bringt hier also aufgrund der Bauphysik keinen Mehrwert (genau wie bei z.B. Kühlanhängern oder Plastik-Campern).
2. Wähle die richtige Bauweise!
Der erste Schritt hin zu einem Tiny House ist also mit einer wichtigen Entscheidung verbunden: Welche Bauweise passt für mich? Möchte ich viel unterwegs sein und ist Gewicht somit ein Thema für mich? Oder übersiedle ich nur alle paar Monate oder sogar Jahre? Wie wichtig sind mir natürliche Baustoffe? Wie entscheidend ist eine unabhängige Energieversorgung?
Sobald Du Dich entschlossen hast, stehen ein paar weitere Entscheidungen an:
Bauweise: Wird es eine Holzstaffelkonstruktion mit Dämmung? Baue ich aus Vollholz-Platten? Wie stelle ich sicher, dass der Aufbau statisch funktioniert? Hier evtl. mit einem Planungsbüro oder einem Zimmerer aus der Region abstimmen!
Fahrgestell/ Fundament: Auf welchem Fundament möchte ich bauen? Steht mir ein Fahrgestell zur Verfügung? Wie hoch ist das maximale Gesamtgewicht? Ist im Fahrgestell die Konstruktion eines Kellers möglich, für z.B. Technikeinbauten? Wie binde ich die Konstruktion am Fahrgestell an?
Dämmung: Möchte ich ganzjährig im Tiny House wohnen? Dann sind gute Dämmwerte wichtig, damit Du Dein Zuhause heizen kannst. Hier ist der richtige Wandaufbau ganz zentral. Hier stellen sich gleich weitere Fragen: Welche Dämmung verwende ich? Baue ich diffusionsoffen oder geschlossen? Wo ist mein „Taupunkt“ in der Wand? Entsteht mir problematisches Kondenswasser im Wandaufbau? Entscheidungshilfen bieten hier Online-Tools wie der U-Wert-Rechner.
3. Wie möchte ich meinen Wohnraum gestalten?
Bist du Dir im Klaren darüber, wie Dein Zuhause von außen aussehen soll, kannst Du Dich dem Inneren widmen und Deine Wohnbereiche definieren. Hier gilt beim "Kleinen Bauen" noch mehr als bei großen Gebäuden: Architektur = Sozialverhalten! Jede Entscheidung, die Du in der Planung triffst, beeinflusst stark, wie Dein Alltag im neuen Zuhause aussehen wird. Sind die Wege „praktisch“? Sind die unterschiedlichen Funktionen der Räume gut aufeinander abgestimmt? Wo macht „Multifunktion“ Sinn und wo ist es eher störend und aufwendig? Fragen, die Du Dir bei der Planung stellen kannst:
- Was brauche ich, damit ich gut wohnen/ arbeiten/ entspannen kann?
- Was mache ich alles im Wohnraum? Beobachte Deinen Alltag!
- Welche unterschiedlichen „Situationen“ oder eben „Wohnmuster“ gibt es?
Deine Alltagsgewohnheiten geben den Ausschlag: so etwa in der Küche stehen und mit einem Freund tratschen, der auf Besuch vorbeikommt, oder am Schreibtisch in Ruhe arbeiten, usw. Frage Dich, was Du in diesen Situationen brauchst, damit sie gut funktionieren. Und berücksichtige das in der Planung. Außerdem: Mach einen ersten Grundriss!
4. Wie versorge ich mich mit Energie?
Und schon kommen wir zum nächsten Schritt: der Versorgung! Wie soll ich mein Tiny House oder meinen Wagen mit Strom, Wasser und Wärme versorgen? Dabei kommt es darauf an, wie Du Deinen Wohnraum nutzt. Lebst Du das ganze Jahr über darin oder nur im Sommer? Hier ein paar Varianten, wie Du Dein Tiny House versorgen kannst:
Wärme & Warmwasser
- Solar-Holz-Zentralheizungssystem (wassergeführter Holzofen, Pufferspeicher mit Kopplung an die Photovoltaikanlage, Steuerung)
- Rauchgaswärmetauscher mit Boiler
- kleiner Holzofen (ohne Warmwasser)
- Gasheizung für Raumwärme und Warmwasser
- Badeofen
- Infrarotpaneele (brauchen einen externen Stromanschluss)
- Rauchgassboiler
Frischwasser
- Regenwasser sammeln und aufbereiten
- Trinkwasserspeicher (z.B. Zisterne oder Teich) mit Filteranlage
- Brunnen
- externer Anschluss an das Wassernetz
- Trinkwassertank im Wagen zum Wiederbefüllen
Abwasser
- Grünkläranlage (am Dach, neben dem Wagen oder als mobile Box)
- Abwassertank zur Entleerung
- Kanalanschluss
- Mobiler Moosfilter
Strom
- Photovoltaik-Anlage mit Batteriespeicher (hier gibt es unterschiedlichste Größen und Sets für große und kleine Budgets, für Sommernutzung und ganzjähriges Wohnen); berechne Deinen Energiebedarf und definiere den gewünschten Komfort (Macht es was, wenn der Strom mal nicht reicht? Was passiert dann?)
- Windrad
- Aggregat (Pflanzenöl-Aggregat, Diesel,...)
- externer Anschluss an das Stromnetz
Du siehst, da gibt es einiges zu bedenken. Am besten du holst dir dabei Unterstützung von Bekannten oder vom Profi.
Fazit: Mehr Unabhängigkeit
Unser kleiner Fragenkatalog zeigt, dass man sich auch bei einem Tiny House vorab Gedanken machen sollte. Denn je kleiner der Wohnraum ist, desto umfänglicher muss die Vorausplanung aussehen. Nur so kann es am Ende gelingen, sich einen kompakten Wohn- und Lebensraum einzurichten, der trotzdem den eigenen Anforderungen und Wünschen entspricht. Alle Entscheidungen solltest Du daher stets mit dem Grundgedanken abgleichen: Wie unabhängig möchte ich mich einrichten? Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man an städtische Netze angeschlossen ist oder sich in diesem Bereich mehr persönliche Freiheit herausnimmt, nicht zuletzt finanziell.
Überhaupt ist Sparsamkeit ein wesentliches Konzept hinter dem Trend zum Tiny House. Und so gibt es mittlerweile Anbieter, die mit ganzen Autarkie-Systemen werben, um das Leben im eigenen Minihaus von Grundauf unabhängiger und individueller zu gestalten. Für einen schnellen und unkomplizierten Einstieg in die autarke Versorgung stehen mittlerweile sogar kostengünstige Startersets bereit. Grundsätzlich muss Unabhängigkeit also nicht immer mit Verzicht einher gehen. Nur flexibel und offen für neue Ideen - das sollten Bewohner eines Tiny House auf jeden Fall sein.
Verwendete Produkte
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Kommentare
Vielen Dank für den Artikel.
Schön, dass auch wirklich aufgezählt wird, auf was man achten MUSS!
Ich habe ein paar Fragen dazu:
1. Wenn man PIR-Dämmplatten nimmt und alles natürlich mit Dampfbremse sowie etwas Luft dazwischen baut, wie kann ich sichergehen, dass wirklich kein Kondenswasser entsteht?
2. Wir möchten auf einem LKW-Auflieger ein TH bauen, da wir es fest stehenlassen möchten.
Muss es einen Statikplan geben?
3. Kennen Sie vielleicht eine Seite, wo man Baupläne mit Statik käuflich erwerben kann?
Viele Grüße,
Svenja
Liebe Svenja,
vielen Dank für Dein Kommentar! Hier die Antworten:
1. Um sicherzustellen, dass kein Kondenswasser entsteht muss in der Planung der Aufbau sowie alle Wärmebrücken berücksichtigt werden. Klassischerweise sind Wärmebrücken die Stellen an denen es zuerst kondensiert. Das kann natürlich bau-physikalisch mit entsprechenden Programmen berechnet werden.
2. Eine statische Begutachtung wäre in diesem Fall schon anzuraten.
3. Baupläne mit Statik sind leider auf Homepages nicht einfach so käuflich erwerbbar. Allerdings kann ein Planungsbüro mit entsprechenden Kompetenzen für die statische Begutachtung beauftragt werden.
Falls Du noch weitere Fragen hast, gib Bescheid!
Liebe Grüße
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