Handwerk: Kommt bald Invasion der Robo-Tischler?

Begrifflichkeiten wie Wirtschaft 4.0 und Digitalisierung sind allgegenwärtig und scheinen bisweilen sogar überstrapaziert. Wobei sich das Handwerk bisher ziemlich sicher sein konnte, dass es von diesen technischen Revolution vorerst verschont bleiben würde. Auf lange Sicht sieht die Sache allerdings anders aus, auch wenn BM online, das Portal für Schreiner, Tischler und Fensterbauer, der Auffassung ist: „Die Industrie wird nie der Tischler von nebenan sein“. Dennoch kennt die Welt bereits viele Ansätze, die sich, wenn auch sehr zaghaft, mit den unterschiedlichsten Systemen für vollautomatische Maschinensteuerungen oder Technologien zum Entwerfen und Konstruieren typischer Tischlerei-Erzeugnisse befassen.

Hilfskraft oder Jobkiller?

Der Robo-Tischler AutoSaw ist eins solcher Zukunftsprojekte, das sich derzeitig noch im Stadium einer Machbarkeitsstudie befindet und von Forschern des Massachusetts Institute of Technology entwickelt wird. Es handelt sich hierbei um den Prototyp eines Robotersystems, das später in der Lage sein soll, Tische, Stühle, Regale und andere Wohnmöbel zu entwickeln und dem Tischler bestimmte Arbeiten, wie beispielsweise den Holzzuschnitt, abzunehmen. Begründet wird die Automatisierung damit, dass Handwerker mit den neuen Maschinen einfacher, schneller und vor allem sicherer arbeiten könnten, ohne den Menschen mit seinen umfangreichen Fähigkeiten überflüssig zu machen.

Tatsächlich müsste der Mensch, so die aktuelle Studie, später nur noch einige Zahlen eingeben, ehe Stuhlbeine und Tischplatten nach dem automatischen und maßgenauen Zusägen direkt an den Arbeitsplatz des Tischlers transportiert werden. Versehentlich abgeschnittene Fingerkuppen oder der Verlust noch größerer Körperteile gehören damit der Vergangenheit an, und die Handwerker könnten sich auf anspruchsvollere Tätigkeiten konzentrieren.

Mehr als nur Zukunftsmusik

Für Sorgen ist es ohnehin noch zu früh. Betrachtet man den gegenwärtigen Entwicklungsstand der zweifelsohne sehr innovativen Technik, gelangt man schnell zurück auf den Boden der Tatsachen. Denn es gibt noch viel zu tun, wie ein kurzes Präsentationsvideo zeigt. Allein der räumliche Bedarf der Technik ist für eine durchschnittlich große Tischlerwerkstatt erheblich und auch mit der Fertigkeitsgenauigkeit der beiden Miniroboter hapert es noch ein wenig. Ohnehin schneiden sie derzeit lieber Kunststoffmaterial aus Hartschaum als die erheblich widerstandsfähigeren Harthölzer zu. Aber es ist ein ernstzunehmender Ansatz, der keineswegs belächelt werden sollte. 

Ebenso interessant, was die Betroffenen zu den Trends der Zukunft und den neuen Herausforderungen an die Zunft der Tischler für eine Meinung haben. Einer der „Götter in Latzhosen“ formulierte seine Gedanken auf dem oben genannten Schreinerportal wie folgt: „So viele reden von Industrie 4.0, aber in der Praxis stehen wir da mit vielen unterschiedlichen Systemen – zum Entwerfen, Konstruieren, für die Maschinensteuerung, Kalkulation und Zeitplanung, von den Office-Anwendungen mal ganz abgesehen – und alle sollen sich verstehen, aber kaum einer schafft durchgängige Schnittstellen. “ (Jörg Klintworth Tischlerei GmbH in 21717 Helmste). Sebastian Bächer, Geschäftsführer der Tischlerei Bächer Bergmann GmbH Köln sieht in den Zukunftstechnologien eine Chance, die das Tischlerhandwerk nicht kaputt mache, sondern neue Möglichkeiten erschließe.

Künstliche Steuerzahler

Der Einfluss von Formensprache und Design spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle, wie die neu zu gestaltenden Kundenbeziehungen. Bächer greift da gleich noch einen anderen nachdenkenswerten Aspekt auf, wenn er sagt: „Durch die Automatisierung der Produktionsstätten werden viele wertschöpfende Tätigkeiten von Maschinen und Robotern übernommen. Diese sollten – genau wie jeder Angestellte – Steuern zahlen. Nur so kann man eine Art Konkurrenz zu den Maschinen aufbauen. Denn bei aller Begeisterung für Technik finde ich: Man muss die Dinge hinterfragen – auch den technologischen Fortschritt.“ Und das wiederum, betrifft nicht nur die Tischler, sondern auch viele andere Gewerke.

Zurück zum Robo-Tischler AutoSaw, der zumindest gegenwärtig nur eingeschränkt nutzbar ist. Aufzuhalten ist diese spannende Entwicklung nicht, auch wenn die Miniroboter aktuell gerade einmal vier unterschiedliche Designvorlagen beherrschen und auch sonst etwas behäbig vor sich hinwerkeln. Dennoch: Ein hoffnungsvoller Anfang ist gemacht, wie an dem Beispiel der komplett zugeschnittenen Einzelteile für den runden Tisch aus dem Kurzfilm erkennbar ist.

 

Bildquelle: © wissanustock - Fotolia.com

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