Gefahrenvermeidung im Fokus: Die neue ÖNORM 1300

Endlich geschafft! Das neue Wohn- und Geschäftshaus in der City ist fertig, die ersten Mieter ziehen ein. Jetzt beginnt für den Eigentümer die sorgenfreie Zeit des Geldverdienens! Denn um das teure, nach grundsoliden Technologien aufwendig errichtete Bauwerk muss man sich in den nächsten Jahren ja zum Glück nicht mehr kümmern, oder? Irrtum! Zumindest in Österreich. In der Alpenrepublik ist nämlich seit Februar 2018 die ÖNORM B 1300 in Kraft getreten.

Erhaltungspflichten

Die ÖNORM 1300 regelt für Gebäudeeigentümer verbindlich eine Reihe von neuen Bestimmungen in Bezug auf die Sicherheit ihrer Wohnbauten und Geschäftsimmobilien. Dass lose Dachziegel, lockerer Fassadenputz und andere beschädigte Gebäudeteile nicht nur optisch einen schlechten Eindruck machen, sondern eine ernste Gefährdung von Passanten darstellen, erleben wir leider auch in der heutigen Zeit nicht selten.

In Deutschland wird dieser Haftungszwang als Verkehrssicherungspflicht bezeichnet, in Österreich sind die gesetzlichen Regelungen dazu als Erhaltungspflichten festgeschrieben. Sie sind in der nun überarbeiteten Norm als „Objektsicherheitsprüfungen für Wohngebäude – regelmäßige Prüfroutinen im Rahmen von Sichtkontrollen und zerstörungsfreien Begutachtungen – Grundlagen und Checklisten" in allen Einzelheiten definiert.

Sicherheit geht vor

Die Durchsetzung von Objektsicherheitsprüfungen für Wohngebäude liegt in der Verantwortung der Liegenschaftseigentümer, die dazu sicherstellen müssen, dass von ihren Immobilien keinerlei Gefahren für Personen sowie deren Eigentum ausgehen können. Dennoch ist auch die Neufassung der ÖNORM 1300 aus juristischer Sicht kein Gesetz, sondern hat lediglich eine empfehlende Verbindlichkeit zu den Belangen der öffentlichen Objektsicherheit.

Dennoch: Um vieles genauer als in ihrer ersten Fassung aus dem Jahre 2012 legt die neu angepasste Norm nun die Form und Methodik von wiederkehrenden Sichtkontrollen und zerstörungsfreien Begutachtungen wesentlich konkreter fest. Dazu erhalten Hausverwaltungen und Eigentümer klare Empfehlungen über den Umfang sowie die Fristen von Objektsicherheitsprüfungen und deren Dokumentation. Gleichzeitig stellt die Novellierung klar, dass Liegenschaftsbesitzer weder zur ständigen Modernisierung noch zur regelmäßigen Erneuerung ihrer Objekte entsprechend dem aktuellen Stand der Technik verpflichtet sind. Bauliche Veränderungen im Sinne der Herstellung eines zeitgemäßen Standards werden demnach erst fällig, wenn eine Veranlassung infolge sicherheitsrelevanter Mängel besteht.

Handlungsverpflichtung

Der bauliche Sollzustand von genutzten Liegenschaften wurde mit der Novellierung neu definiert, was bei der praktischen Umsetzung allerdings ausschließen soll, dass sich deren Eigentümer auf die ursprünglich ausgesprochene Benützungs- oder Baubewilligung verlassen bzw. berufen sollten. Darüber hinaus wurden mit der Neuauflage der ÖNORM B 1300 die Behebungsfristen für augenscheinliche Gebäudemängel präzisiert und vereinfacht.

Somit besteht für den Gebäudeeigentümer eine sofortige Handlungsverpflichtung bei „Gefahr im Verzug“. Weiterhin sind die staatlichen Prüforgane nun berechtigt, gegenüber den Hausbesitzern verbindliche Behebungsfristen festzulegen, die von ihnen als angemessen betrachtet werden, um festgestellte Mängel und Gefahrenquellen in einer zumutbaren Zeitspanne abzustellen.

 

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